DeepDive von Planet Toys

Wissen für die Branche

Liebe Deep Dive Community,

 

Deutschland hat gewählt. Aber die Probleme sind nach der Wahl die gleichen geblieben. Eins davon: die Bürokratie, die Menschen und Unternehmen das Leben schwer macht. Auch für die Spielwarenindustrie ist sie ein Standortfaktor. Ulrich Texter von planet toys fasst die Lage zusammen und zeigt, wie führende Köpfe der Branche zum Thema Regularien und Bürokratieabbau stehen.

Viel Spaß beim Lesen

Ihr Deep Dive Team von planet toys

HINTERGRUND

BÜROKRATIE KOSTET MILLIARDEN

Deutschlands Attraktivität als Wirtschaftsstandort nahm in den letzten Jahren erheblich ab. Darüber herrscht Konsens und das sieht die Spielwarenbranche nicht anders. Jetzt hat sich Deutschland entschieden, dass eine neue Berliner Mannschaft das Land aus der tiefen strukturellen Krise führen soll. Kommt nach der Zeitenwende nun die Wirtschaftswende? Die Spielwarenbranche hätte da schon ein paar Wünsche vorzubringen, was anders werden müsste, damit es besser wird.

Von Ulrich Texter

 

Mit dem berühmt gewordenen Wahlkampf-Slogan „It's the economy, stupid!“ gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Wirtschaft – neben der irregulären Immi­gration – war auch das beherrschende Thema des Wahlkampfes zum 21. Bundestag, während Klimaschutz, Energiepolitik, Verkehr, Bildung oder Wohnungsbau kaum eine Rolle in den diversen Medien-Battles und auf den Straßen wie Sälen spielten. Das überrascht nicht. Deutschlands Attraktivität als Wirtschaftsstandort ist nur ein Schatten der Vergangenheit. Die Bürger plagen Verlustängste. 63%¹ der Bevölkerung äußern Ängste und Un­sicherheiten und Experten befürchten, Deutschland schlittert in ein weiteres Rezessionsjahr.

 

Paradoxerweise gehen in den Verbraucherumfragen die persönlichen Einschätzungen der eigenen Situation und die Bewertungen der gesamtwirtschaftlichen oft weit auseinander. Das einstige Vorzeigeland Deutschland, so unlängst das Rheingold Institut², wird als marode, die Wirtschaft auf einem absteigenden Ast erlebt. 55%³ der Befragten betrachten ihre eigene Wirtschaftslage als gut, die allgemeine allerdings nur 6%. An dieser vorherrsch­enden schlechten Stimmung, dass es mit Deutschland den Bach runter­ und eben nicht raufgeht, dürfte nicht zuletzt die „menschgewordene Wärmepumpe“ (Rheingold) in Gestalt des grünen Bundeswirtschaftsministers der Ex-Ampel beigetragen haben. Das angekündigte „grüne Wirtschaftswunder“ blieb jedenfalls aus. Eine solche Feststellung wäre aber wohl in der Merkelschen Terminologie „nicht hilfreich.“

 

Vor zehn Jahren lag Deutschland laut IMD World Competitiveness Center⁴ auf der Rangliste der wettbewerbs­fähigsten Volkswirtschaften der Welt noch auf Platz 6. Inzwischen tummelt sich das Land der Dichter und Denker, das immer so stolz auf seine Sekundärtugenden wie Fleiß und Pünktlichkeit, Qualität und Zuverlässigkeit war, auf dem 24 Rang. Es dürfte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wohl ein Novum gewesen sein, dass ein Aktionsbündnis aus knapp 100 Unternehmen und Verbänden(Die Familienunternehmen e.V.: „Die Lage ist verheerend.“⁵) am 29. Januar zum bundesweiten Wirtschaftswarntag und Unternehmen wie Verbände aufriefen, vor das Brandenburger Tor zu marschieren, als der Wirtschaftsminister seinen Jahreswirtschaftsbericht vorstellte. Mehr als tausend Unternehmer gingen in Berlin auf die Straße, um eine Wirtschaftswende zu fordern. Immerhin kann man es auch als Zeichen verstehen, dass die Demokratie intakt ist.

Florian Sieber (Simba-Dickie-Group): die Rahmenbedingungen für große Investitionen sind nicht gegeben.

 

Made in Germany unter Druck

Die Spielwarenindustrie und der DVSI als die Stimme von 220 Mitgliedern hätten ebenfalls gute Gründe gehabt, mit Trillerpfeifen und Rasseln loszumarschieren, wäre da nur nicht die Spielwarenmesse gewesen. Nur 19% der befragten Unternehmen betrachten die Situation ihres Unternehmens für 2025 als gut oder sehr gut, so der DVSI-Index⁶ von Ende 2024. Nur wenig Tage vor der Eröffnung der Spielwarenmesse lieferte der Chef der Simba-Dickie-Group, Florian Sieber, die passenden Argumente für die Branche, um auf die Straße zu gehen. Wert­schöpfung Made in Germany bereite ihm zunehmend großes Kopfzerbrechen, die Rahmenbedingungen für große Investitionen seien nicht gegeben, so der Fürther. „Die Wettbewerbsfähigkeit hat deutlich nachgelassen“, so Florian Sieber weiter, „und ein Licht am Ende des Tunnels ist nicht in Sicht. Das bedeutet nichts Gutes für den Standort Deutschland.“ Der Standort in Lam im Bayerischen Wald stünde auf dem Prüfstand, der „betriebswirt­schaftlich keine leichten Jahre“ verbuchen konnte. Jetzt ist zwar mit dem Einstieg des finnischen Spielwaren­unternehmens Tactic Games OY eine Lösung gefunden worden, aber an den strukturellen Problemen in Deutschland – hohe Energiepreise, Lohnnebenkosten, Bürokratielasten – hat sich mit dem „Deal“ grundsätzlich nichts geändert. Und dabei konnte das Unternehmen seinen Umsatz um 5,4% steigern; die Ravensburger-Gruppe sogar um 18,2%, was vor allem durch die internationale Expansion gelang und, Disney sei Dank, durch das Sam­melkartenspiel Locarna. Also alles nur Panikmache, die typische deutsche Lust zum Schlechtreden?

 

Regularien ohne Mehrwert

Die Spielwarenindustrie, typisch mittelständisch strukturiert, steht mit ihren Sorgen nicht alleine da. Pessi­mistisch zeigt sich auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der im Januar eine Unternehmens­umfrage zum Standort vorlegte. Note: versetzungsgefährdet. 57 Prozent der Unternehmen halten Deutschland für weniger oder gar nicht gut geeignet für ihre Innovationsaktivitäten. Als größte Hindernisse wurden strenge gesetzliche Vorgaben (76%) und lange Genehmigungsverfahren (62%)⁷. Man könnte diese Bestandsaufnahme vielleicht als das typische Lied des Kaufmanns bezeichnen, wie es das Kanzleramt noch 2024 tat und dafür harsche Kritik erntete, aber das ifo-Institut in München ist nicht eben als Hochschule für Oper, Schauspiel und Gesang bekannt. Mitte November legten die Münchener eine Studie zu Bürokratiekosten vor. Durch überbor­dende Bürokratie entgehen Deutschland, so die Forscher, bis zu 146 Mrd. € pro Jahr an Wirtschaftsleistung⁸. Das im September 2024 verabschiedete Bürokratieentlastungsgesetz IV, das u.a. Aufbewahrungspflichten für Buch­ungsbelege im Handels- und Steuerrecht verkürzt, muss da auf Betroffene geradezu wie Hohn und Spott wirken, wenn gleichzeitig die Berichtspflichten weiter in die Höhe getrieben werden. Laut ifo-Studie sprechen rund 47% der Unternehmen von einer starken Betroffenheit durch Bürokratie; 22% der Angestellten sind in ihrer Arbeits­zeit mit bürokratischen Tätigkeiten beschäftigt. Weitere 15,7% bezeichneten „Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bürokratie als nicht nachvollziehbare und sinnlose Aufgaben ohne Mehrwert“. Es überrascht also nicht, dass mehr als 70% der Befragten Bürokratie als eine der Hauptursachen für diese negative wirtschaftliche Entwicklung genannt wird.

 

Thorsten Koss
Pascal Adams (Smallfoot): "... während wir uns an die Regeln halten, gibt es Marktteilnehmer, die weniger machen und schlechte Qualität liefern."

 

Economy first

Ähnlich sieht man es bei der Simba Dickie Group. Während das Unternehmen, auf Platz 4 der umsatzstärksten Spielwarenhersteller in Deutschland, bereits Unsummen für Zertifizierungen und Audits ausgebe, kämen immer weitere Auflagen und Prüfungen hinzu, etwa durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, von dem man zwar nicht direkt, aber mittelbar durch die Anforderungen von Handelsunternehmen betroffen sei. In das gleiche Horn stößt auch Pascal Adam, Chef von Smallfoot. „Bürokratie ist ein Riesenthema“, sagt der Delmenhorster, „wir brauchen einen Rückbau und einen fairen Wettbewerb, denn während wir uns an Regeln halten, gibt es Markt­teilnehmer, die weniger machen und schlechte Qualität liefern“. Dennis Gies, Geschäftsführer Toynamics, will für Deutschland sogar einen psychologischen U-Turn, aber auch die Bürokratie stutzen. „Die Wirtschaft muss wieder in den Fokus gestellt und das Unternehmertum gestärkt werden, vor allem der Mittelstand. Er treibt das Land und erwirtschaftet die Steuern. Da ist auch der Bürokratieabbau ein wichtiges Instrument.“ Für Stefan Krings, CEO der Carrera Revell Gruppe, führt kein Weg am Abbau von Regularien vorbei, die deutschen Hersteller das Leben zu Qual machen, aber Wettbewerbern aus Fernost kalt lassen. „Das ist ganz klar ungerecht“, sagt Stefan Frings, der zudem vor einem Handelskrieg warnt. „Die Zölle in Deutschland für E-Autos haben zu rund 16% höheren Preisen geführt. Das ist eine Faustformel, die man auf andere Branchen übertragen kann. Aber es träfe die Spielwarenbranche in Gänze, denn es gibt kaum Lieferanten in den USA, die nicht im Ausland produzier­en.“ Von der neuen Regierung erwartet Krings vor allem, dass sie kaufkraftfördernde Maßnahmen verabschiedet.

 

Dennis Gies (Toynamics): "Die Wirtschaft muss wieder in den Fokus gestellt und das Unternehmertum gestärkt werden."

 

Bündel an Therapievorschlägen

Der Unmut und Frust der Wirtschaft ist an den großen Parteien nicht spurlos vorbeigegangen. Im Wahlkampf war es das Top-Thema. Die Programme der Parteien boten ein buntes Kaleidoskop von Versprechungen, um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Das Spektrum reichte von „Made in Germany 2.0“ als Förderprogramm, einem Deutschlandfond, der Reform der Schuldenbremse über Entrümpelungsgesetzen und Bürokratie-Checks, der Abschaffung des Lieferkettengesetzes, höhere Besteuerung von Milliardären bis hin zur kompletten Ab­schaffung von EU-Regeln aus dem Green Deal (CCRD, Taxonomie, Aktionsplan Kreislaufwirtschaft). Obwohl die Vorschläge zur Reanimation der Wirtschaft unterschiedlich ausfallen, in einem Punkt herrschte parteiüber­greifend Konsens: der Bürokratie-Burnout muss ein Ende finden.

Stefan Frings (Carrera Revell Gruppe): "Am Abbau von Regularien führt kein Weg vorbei."

 

Aber vielleicht wird der Kampf gegen den Verwaltungs- und Gesetzgebungswildwuchs nur ein Teil eines noch größeren Problems sein, mit dem sich das Land auseinandersetzen muss. Bereits mit Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten hagelte es Dekrete. Der „Zollkrieg“ war von einem Tag auf den anderen eröffnet. Der Mann hielt Wort, was die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer⁹, prompt dazu veranlasste, von Terrorismus zu sprechen: „Keiner weiß, was er morgen bringt. Das ist nichts anderes als ter­rorisieren aller Unternehmen und Konsument:innen weltweit.“ Inzwischen wissen wir mehr. Es geht in diesem Stil weiter. Die Welt ist inzwischen endgültig in eine neue Phase eingetreten, in der aus transatlantischen Freunden womöglich Gegenspieler werden könnten. Das verheißt nichts Gutes. Deutschland muss also nicht nur wirtschaftlich wieder auf die Füße kommen, sondern auch seine Außen- und Sicherheitspolitik neu justieren. Ob und welche Auswirkungen das auf den Exportweltmeister haben wird, bleibt abzuwarten. Auf der Spiel­warenmesse hätte es sich vermutlich keiner träumen lassen, dass nur drei Wochen später der „Super-GAU“ (Michael Roth) eintritt. Aber vielleicht ist alles auch nur eine Frage von „Deals“ und des Blatts, das man auf der Hand hat, während die Frage, wie die chemischen Grenzwerte in der neuen Spielzeugverordnung ausfallen, noch das kleinste Problem sein dürfte.

 

 

Quellen:

1 Stiftung für Zukunftsfragen,

2 Rheingold Institut

3 Statista

4 IMD

5 Die Familienunternehmer

6 DVSI

7 BDI

8 ifo institut

9 Monika Schnitzer, LinkedIn

Sponsored:
Deutscher Spielzeugpreis
Der Deutsche Spielzeugpreis 2025
Es geht wieder los, der Deutsche Spielzeugpreis 2025 steht in den Startlöchern. Erneut war die Spielwarenmesse in Nürnberg Eckpfeiler, was Analyse und Bewertung von Innovationen des Spielzeugmarktes angeht. Bewerbungsschluss für den Deutschen Spielzeugpreis 2025 ist der 14. März
Deep Dive von Planet Toys Logo
Lizenzen
babykompak
Wenn Sie diese E-Mail (an: unknown@noemail.com) nicht mehr empfangen möchten, können Sie diese hier abbestellen.
Mayanna Media Verlag | Hansjakobstraße 20 | 78658 Zimmern ob Rottweil | Deutschland