DeepDive von Planet Toys

Wissen für die Branche

Liebe planet toys Community,

Plastik ist ein Problem – für die Verbraucher, für die Umwelt und zunehmend auch für die Industrie. Können Biokunststoffe eine Lösung darstellen? Einer, der's wissen muss ist Dr. Michael Thielen von der Fachzeitschrift Renawable Carbon Plastics. Sein Wissen ist wertvoll für jeden, der Spielzeug herstellt.

Viel Spaß beim Lesen.

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INNOVATION

Bioplastik – die Lösung für eine nachhaltigere Zukunft? (Foto: Oliver Reinhardt)

Die Spielwarenbranche steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Plastik, jahrzehntelang der Standard für langlebige und farbenfrohe Spielwaren, gerät zunehmend unter Druck. Eltern wünschen sich nachhaltigere Produkte, Gesetzgeber setzen strengere Vorgaben und Recycling bleibt eine große Herausforderung. In dieser Debatte treten Biokunststoffe als mögliche Lösung auf den Plan – doch sind sie der große Wurf oder nur ein erster Schritt in Richtung nachhaltigerer Produktion?

Die bio!TOY-Konferenz, die am 1. und 2. April 2025 zum vierten Mal in Nürnberg stattfindet, bringt genau diese Fragen auf den Tisch. Hersteller, Materialwissenschaftler und Branchenexperten diskutieren dort nicht nur über neue Materialien, sondern auch über die realen Herausforderungen der Umsetzung. Denn klar ist: Der Weg zu umweltfreundlichem Spielzeug ist komplexer, als es die Verpackung vieler Produkte suggeriert.

Wir sprachen mit Dr. Michael Thielen, Herausgeber und Redakteur der Fachzeitschrift Renewable Carbon Plastics (ehemals bioplastics MAGAZINE) sowie Organisator der bio!TOY-Konferenz.

 

Was Biokunststoffe wirklich leisten – und wo sie an Grenzen stoßen
Grundsätzlich lassen sich Biokunststoffe in drei Kategorien einteilen. Sie sind entweder aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zuckerrohr, Maisstärke, Speiseölen oder Agrarabfällen hergestellt. Andere sind biologisch abbaubar. Und die dritte Gruppe sind beides.In der Theorie klingt das vielversprechend: Weniger fossile Rohstoffe und eine bessere CO₂-Bilanz. Auch wenn vielen Verbrauchern die Details nicht wirklich klar sind, bieten Biokunststoffe einige offensichtliche Vorteile. Bio-PE oder Bio-PET, die aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden, lassen sich oft nahtlos in bestehende Produktions- und Recyclingprozesse integrieren, da sie chemisch identisch zu den petrochemisch hergestellten Varianten sind. Für Hersteller bedeutet das: weniger Umstellungskosten, mehr Nachhaltigkeit – zumindest auf der Rohstoffseite.

Branchenriesen und Pioniere: Wer geht voran?
Einige Unternehmen haben das Potenzial bereits erkannt. Mattel setzt in seiner „Barbie Loves the Ocean“-Kollektion auf recyceltes Ocean-Bound-Plastik.

LEGO, eigentlich als Vorreiter auf dem Gebiet bekannt, musste sich zuletzt eingestehen, dass nicht jeder alternative Kunststoff den hohen Anforderungen an Stabilität und Farbbrillanz gerecht wird. Playmobil hat erste Figuren aus Biokunststoff entwickelt, ohne jedoch vollständig auf herkömmliches Plastik zu verzichten.
Die bio!TOY-Konferenz spielt hier eine zentrale Rolle. Sie ist nicht nur ein Branchentreffpunkt, sondern eine Ideenschmiede für die nachhaltige Zukunft der Spielwarenindustrie. In diesem Jahr geht es dort nicht nur um neue Materialien, sondern auch um ganz praktische Fragen: Wie lassen sich Produktionsprozesse umstellen? Wie können neue Kunststoffe in bestehende Recyclingstrukturen integriert werden? Und wie können Hersteller verhindern, dass gut gemeinte Innovationen als Greenwashing abgestempelt werden?

 FACTS & FIGURES
90 % der Spielwaren bestehen aktuell aus Kunststoff.

2030 müssen laut EU-Vorgaben alle Verpackungen recycelbar oder wiederverwendbar sein. Kommt da auf die Spielwaren-Industrie etwas zu?

Bis zu 30 % teurer sind Biokunststoffe im Vergleich zu herkömmlichem Kunststoff.

694.000 Tonnen Kunststoffabfälle exportierte Deutschland 2023
8 % weniger als im Vorjahr. Es könnten noch weniger sein, wenn mehr recycelt würde.

Herausforderungen: Zwischen Mehrkosten und Marktreife
Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist nicht ohne Hürden. Biokunststoffe sind oft bis zu 30 % teurer als herkömmliche Kunststoffe. Das ist für viele Unternehmen – und letztlich auch für die Verbraucher – ein entscheidender Faktor. Wer sich zwischen zwei ähnlichen Produkten entscheidet, wählt am Ende oft den günstigeren Preis.
Hinzu kommt: Viele recycelbare Kunststoffe können in den bestehenden Recyclingsystemen nicht optimal verwertet werden, weil ihre Zusammensetzung von bekannten Materialien abweicht. Hier sind nicht nur die Hersteller, sondern auch Politik und Entsorgungsunternehmen gefragt, neue Lösungen zu schaffen.

Ein nachhaltiger Wandel beginnt nicht nur beim Material
Ob Biokunststoffe die ultimative Lösung sind oder nur ein Zwischenschritt, darüber wird die Branche noch lange diskutieren. Klar ist: Nachhaltigkeit in der Spielwarenwelt wird nicht allein durch den Einsatz neuer Materialien erreicht. Langlebigere Produkte, verbesserte Recyclingwege,  ein bewussterer Umgang mit Ressourcen gehören genauso dazu wie das Stichwort reparieren statt wegwerfen und neu kaufen.
Unternehmen, die sich früh mit nachhaltigen Alternativen beschäftigen, werden langfristig davon profitieren – nicht nur in Bezug auf neue gesetzliche Vorgaben, sondern auch in den Augen umweltbewusster Kunden. Die Kombination aus neuen Materialien, besseren Recyclinglösungen und einer überlegten Produktstrategie wird darüber entscheiden, wie nachhaltig die Zukunft wirklich wird.

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INTERVIEW

Dr. Michael Thielen: "Kunststoffe aus Öl, Gas oder Kohle herzustellen, ist der falsche Weg"
Herr Dr. Thielen, sind Biokunststoffe ein echter Fortschritt oder nur ein kleiner Schritt in Richtung Nachhaltigkeit?

Ich denke, Biokunststoffe sind schon ein großer Schritt, denn Kunststoffe aus Öl, Gas oder Kohle herzustellen, ist einfach der falsche Weg. Diese fossil-basierten Kunststoffe verbrauchen Ressourcen und erzeugen, wenn sie nicht oder nicht mehr recycelt werden können Treibhausgas.
Alle biobasierten Kunststoffe sind grundsätzlich recyclebar. Ein Problem ergibt sich erst aus der Sortierung und dann zustande kommenden Mindestmengen für ein wirtschaftliches Recycling. Das ist bei bio-PE und bio-PET kein Problem. Grundsätzlich gilt aber, dass Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in der Müllverbrennung eine Art „erneuerbarer Energie“ darstellen. Sie können ja nicht mehr CO2 in die Atmosphäre entlassen als die Pflanzen, aus denen sie hergestellt sind, zuvor aus der Atmosphäre entnommen haben. Das ist wichtig, wenn aus welchen Gründen auch immer, kein Recycling möglich ist. So kriegen wir zumindest die „geliehene Sonnenenergie“ zurück


Wie können Hersteller verhindern, dass Biokunststoffe als Greenwashing wahrgenommen werden?

Es ist wichtig IMMER die Wahrheit zu sagen und/oder auf die Produkte zu schreiben. Während Spülmittel in der TV-Werbung ganz offensichtlich „schummelt“ können wir uns so etwas nicht erlauben. Im Idealfall lässt sich der Kunststoffhersteller sich den biobasierten oder recycelten Anteil von unabhängigen Instituten zertifizieren. Es ist auch nicht hilfreich auf die Verpackung zu schreiben 100% recyclebar… wenn am Ende nicht tatsächlich recycelt wird.


Welche technologischen Herausforderungen gibt es bei der Verarbeitung von Biokunststoffen für Spielwaren?

Es gibt eigentlich keine besonderen Herausforderungen. Die so genannten „Drop-In“ Biokunststoffe, wie bio-PE (aus Zuckerrohr), bio-PET (zu 30% aus Zuckerrohr) oder ähnliche sind chemisch identisch zu den fossilen Varianten und lassen sich genauso wie diese verarbeiten und recyclen. Das gilt auch für alle „Mass-Balance“ Biokunststoffe, wie ISCC zertifiziertes ABS etc. 


Sind Verbraucher bereit, für nachhaltiges Spielzeug mehr zu zahlen – oder bleibt Preis der entscheidende Faktor?

Die Kosten für nachhaltigere Kunststoffe werden sinken, sobald größere Produktionskapazitäten gebaut zur Verfügung stehen, die auch weltweit tatsächlich gerade aufgebaut werden. Wir wissen aber auch aus vielen Gesprächen, dass viele Verbraucher, insbesondere wenn sie sich das leisten können, auch bereit sind etwas höhere Preise zu bezahlen. Das gilt besonders, wenn es um die Kinder und deren Zukunft geht. Es braucht (und es gibt) Pioniere auf beiden Seiten, bei den Anbietern und bei den Verbrauchern.

Sind biobasierte Kunststoffe wirklich besser als recycelte Materialien – oder führt nur Kreislaufwirtschaft zum Ziel?


Wir sind ja im Kerngeschäft Herausgeber der Fachzeitschrift „Renewable Carbon Plastics“, die bis vor kurzem noch bioplastics MAGAZINE hieß. Wir haben unsere Zeitschrift umbenannt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Kunststoffe nun mal Kohlenstoff als Grundkomponente benötigen. Dieser Kohlenstoff soll aber aus allen möglichen Quellen kommen, nur nicht frisch aus fossilen Quellen wie Öl, Gas oder Kohle. Die Möglichkeiten sind Biomasse, Direct Carbon Capture, also Kohlenstoff aus CO2 aus der Atmosphäre oder Verbrennungsprozessen oder aus fortschrittlichen Recyngprozessen. Das Schlüsselwort ist also in der Tat „Kreislaufwirtschaft“: Den Kohlenstoff solange und so oft im Kreis zu führen wie es geht. 

Zum Schluss noch ein Wort zur biologischen Abbaubarkeit, die einige Biokunststoffe ja auch bieten. Aus unserer Sicht ist die biologische Abbaubarkeit keine neue oder zusätzliche Entsorgungsoption. Die biologische Abbaubarkeit ist dort sinnvoll, wo sie echten Zusatznutzen bringt, beispielsweise in Landwirtschaft oder Gartenbau. Bei Spielwaren sehen wir solchen Zusatznutzen nur sehr bedingt. So könnte Strandspielzeug aus ganz speziellen, zertifiziert (!) im Meer abbaubaren Biokunststoffen wie PHA hergestellt werden. Dann würde es, wenn es am Stand vergessen und im Meer enden würde, dort zumindest abgebaut. Die biologische Abbaubarkeit darf keine Lösung oder Entschuldigung für das Littering (achtloses Entsorgen in der Natur) sein. Und in der Biotonne, wo sie sowieso nicht erlaubt wären, würden Sie keinen Zusatznutzen bringen – in der grauen Tonne schon.


Welche Rolle spielt die bio!TOY-Konferenz für die nachhaltige Transformation der Branche?

Die bio!TOY bringt zwei Branchen zusammen, die sich sonst womöglich nicht so leicht finden würden. Spielwarenhersteller, die nachhaltigere Produkte anbieten möchten, und die Kunststoffhersteller, die die genannten Kunststoffe aus „erneuerbarem Kohlenstoff“ anbieten. Darüber hinaus kann mit Experten über Fragen wie Zertifizierung, Sicherheit und vieles mehr diskutiert werden. Die erste drei bio!TOY Konferenzen haben gezeigt, dass unter den Konferenzteilnehmern ein extrem guter „Spirit“ herrscht. Wir freuen uns auf die vierte Ausgabe am 1. und 2. April in Nürnberg.
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Plastikspielzeug geht auch nachhaltig
Spielzeug aus nachhaltigen Kunststoffen – geht das? Die vierte bio!TOY-Konferenz am 1. und 2. April in Nürnberg wird genau das diskutieren und zeigen. Internationale Spielwarenhersteller und Anbieter zirkulärer Kunststoffe zeigen nachhaltige Innovationen, inklusive Regulatorik, Sicherheit und Zertifizierung. 
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